
Im Zuge des Weiteren wirtschaftlichen Zusammenwachsens der EU-Mitgliedsländer tritt am 01.07.2021 eine neue Regelung in Kraft, welche die umsatzsteuerliche Behandlung für den EU-weiten Warenverkehr für Versandhändler verändert. Ursprünglich sollte die neue Regelung bereits Anfang 2021 eingeführt werden, aufgrund der Corona-Lage wurde aber eine Verschiebung um ein halbes Jahr beschlossen.
Lieferschwellen bei Shopware
Gerade unsere Shopware 5 und Shopware 6 Kunden stellt diese Umstellung vor eine neue Herausforderung. Um unsere Kunden zu unterstützen, geben wir Ihnen hier die relevanten Informationen zu den Lieferschwellen im allgemeinen und später im Besonderen für Shopware 5 und Shopware 6.
Vereinheitlichung durch Onestopshop (OSS)
In erster Linie sind die sogenannte Lieferschwelle sowie das Anmelde- und Steuerabgabeverfahren betroffen. Die Lieferschwelle wird EU-einheitlich auf 10.000 Euro für Umsätze in allen Zielländern zusammen festgesetzt und das bürokratische Prozedere zentralisiert, indem hierfür ein OneStopShop (OSS) eingerichtet wird. Damit wird es zukünftig für Online-Händler noch einfacher, Waren ins EU-Ausland zu versenden und die Umsatzsteuerregelungen einzuhalten.
Gleichzeitig ist die neue einheitliche Lieferschwelle deutlich niedriger als die verschiedenen Lieferschwellen der EU-Länder, wie sie bislang gelten. Dadurch werden voraussichtlich mehr Online-Händler über der Lieferschwelle liegen und sich mit den Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts für Warenverkehr mit dem EU-Ausland beschäftigen müssen.
Was wird unter einer Lieferschwelle verstanden?
Für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU wurde seinerzeit das Bestimmungslandprinzip zur Besteuerung des Konsums festgelegt. Das bedeutet, dass auf den Waren- oder Dienstleistungspreis die Umsatzsteuer (in Deutschland Mehrwertsteuer genannt) des Landes aufgeschlagen wird, in dem die Ware oder Dienstleistung verwendet wird. Versendet ein deutscher Online-Händler beispielsweise eine Ware an eine Privatperson in Frankreich, gilt die französische Umsatzsteuer. Auf den Nettopreis muss dann prinzipiell der französische Umsatzsteuersatz aufgeschlagen werden und der Online-Händler ist dafür verantwortlich, dass die anfallende Umsatzsteuer an die französischen Steuerbehörden abgeführt werden.
Das Umsatzsteuergesetz (UStG) der einzelnen Staaten kennt beim innereuropäischen Waren- und Dienstleistungsverkehr allerdings einige Sonderregelungen und Vereinfachungen. Für Online-Händler ist hier die sogenannte Versandhandelsregelung (§ 3c UStG) von besonderer Bedeutung. Hierin werden die Lieferschwellen beschrieben. Es handelt sich dabei um einen Schwellenwert oder eine Bagatellgrenze, bei deren Überschreiten erst die oben beschriebenen umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen greifen. Wer unterhalb der Lieferschwelle bleibt, muss den innergemeinschaftlichen Umsatz nicht selbst versteuern.
Für welchen Online-Händer gelten die Lieferschwellen?
Die Lieferschwellen werden relevant, wenn Sie als Online-Händler:
- einen Webshop(z.B. Shopware 5 oder Shopware 6) in einem Land der Europäischen Union betreiben und
- Waren in ein anderes EU-Mitgliedsland selbst versenden (keine Abhollieferung) und
- diese Waren an Privatpersonen (B2C-Geschäft) gehen.
Wer zählt zum Kreis der Privatpersonen?
Privatpersonen sind hier - juristisch gesprochen - alle natürlichen Personen, die rechtsfähig einen Kaufvertrag abschließen können. Damit sind Kunden aus dem innergemeinschaftlichen Gebiet gemeint, die bei Ihnen als Endverbraucher Waren bestellen. Neben den Privatpersonen gibt es auch einen Privatpersonen gleichgestellten Käuferkreis. Dazu gehören:
- Unternehmer, die für den Privatbedarf bestellen
- Unternehmen mit ausschließlich umsatzsteuerfreien Umsätzen
- Unternehmen und Selbstständige, die die Kleinunternehmerregelung nutzen und daher umsatzsteuerbefreit sind
- Land- und Forstwirte, die eine Durchschnittsabsatzbesteuerung nutzen
Es sind die jeweiligen Regelungen im Bestimmungsland relevant. Im Zweifel muss der Käufer Ihnen versichern können, dass er nicht umsatzsteuerpflichtig in seinem Land ist. In der Praxis sollte es hier aber kaum zu Problemen kommen.
Wie hoch sind die Lieferschwellen?
Nach dem Bestimmungslandprinzip werden die Lieferschwellen von den einzelnen Ländern festgelegt, zu denen die Waren gesandt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise Frankreich bestimmt, wie hoch seine Lieferschwellen für Warensendungen aus anderen EU-Staaten sein soll. Gleichzeitig gibt es aber gemeinsame Regelungen, um die Lieferschwellen möglichst einheitlich zu gestalten.
Bis Ende Juni 2021 gibt es zwischen den Ländern noch unterschiedliche Lieferschwellen. Die Höhe der Lieferschwelle beträgt bei den meisten Ländern (ggf. umgerechnet) 35.000 Euro. Einige Länder haben eine höhere Lieferschwelle von 100.000 Euro. Ab 1. Juli 2021 findet hier eine weitere Vereinheitlichung statt und die Lieferschwellen betragen EU-weit 10.000 Euro, dann allerdings für alle Umsätze in andere EU-Staaten zusammen genommen. Sie sinken somit deutlich und werden voraussichtlich für eine größere Zahl an Online-Händlern relevant.
Die genannten Werte beziehen sich bisher auf ein Kalenderjahr pro Land. Wenn Sie beispielsweise als deutscher Online-Händler Waren im Wert von 30.000 Euro im Jahr nach Frankreich und Waren im Wert von 30.000 Euro im Jahr nach Österreich versenden, liegen Sie - aktuell noch - innerhalb der jeweiligen Lieferschwelle. Wenn Sie Waren im Wert von 40.000 Euro nach Frankreich und 20.000 Euro nach Österreich versenden, haben Sie die französische Lieferschwelle überschritten, die österreichische eingehalten. Wenn Sie zukünftig Waren im Wert von 5.000 Euro nach Frankreich und 5.001 Euro nach Österreich versenden, ist die neue einheitliche Lieferschwelle von 10.000 Euro überschritten. Die neue gemeinsame Lieferschwelle bezieht sich zwar weiterhin auf ein Kalenderjahr, aber dann für alle Umsätze aus dem innergemeinschaftlichen Warenverkehr.
Für den diesjährigen Übergang wird voraussichtlich die Lieferschwellen in der alten und der neuen Regelung jeweils auf das erste und zweite Halbjahr bezogen beibehalten. Es wird somit nicht mit halben Lieferschwellen gearbeitet. Beispielsweise gilt die französische Lieferschwelle von 35.000 Euro im Jahr 2021 für alle Umsätze im ersten Halbjahr und die neue Grenze von 10.000 Euro für alle Umsätze in anderen EU-Ländern im zweiten Halbjahr.
Gelten für alle Waren die Lieferschwelle?
Was wären steuerliche Regelungen ohne Ausnahmeregelungen für die Ausnahme? Die oben beschriebene Versandhandelsregelung (§ 3c UStG) gilt für bestimmte Warenklassen nicht. Dazu zählen Waren, auf denen eine eigene Verbrauchsteuer liegt. Das sind beispielsweise Tabak und Alkohol. Für Neufahrzeuge gilt ebenfalls keine Lieferschwelle. Diese Waren müssen vom ersten Euro Umsatz an im Bestimmungsland versteuert werden.
Umgekehrt zählen Umsätze aus verbrauchsteuerpflichtigen Waren oder Neufahrzeugen nicht für die Lieferschwelle. Wer beispielsweise als deutscher Online-Händler Tabakprodukte im Wert von 10.000 Euro nach Frankreich versendet, muss diese Waren nach der französischen Steuerregelung versteuern, kann aber andere Waren weiterhin bis zum Schwellenwert umsatzsteuerfrei nach Frankreich versenden.
Lieferschwellen sind an den Händler geknüpft
Wenn Sie als Online-Händler verschiedene Kanäle zum Verkaufen und Versenden Ihrer Ware nutzen, gelten die Lieferschwellen dennoch nur einmal auf Sie bezogen. Beispielsweise unterhalten Sie auf einer eigenen Webpräsenz einen Webshop und verkaufen gleichzeitig über die Plattformen Amazon und Ebay. Dann zählen die Umsätze aus allen Versandwegen zusammen für die Lieferschwelle eines Landes. Sie nehmen in dem Fall die Logistikdienstleistungen von Amazon und Ebay in Anspruch, sind aber natürlich weiterhin selbst der Händler.
Das Gleiche gilt auch, wenn Sie von unterschiedlichen Lagern aus versenden (lassen). Auch dann, wenn diese Lager in verschiedenen anderen Ländern sind - beispielsweise ist Lagerplatz in einigen osteuropäischen Ländern billiger. In diesem Fall werden ebenfalls alle Umsätze pro Zielland zusammengenommen und auf Sie als Händler bezogen. Das ist schlicht die konsequente Anwendung des Bestimmungslandprinzips.
Ich habe die Lieferschwelle überschritten - was muss ich tun?
Aus dem Überschreiten der Lieferschwelle ergeben sich für Sie umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen. Zunächst einmal ist der Nettoumsatz pro Zielland und Kalenderjahr relevant für den Schwellenwert. Wenn die Umsätze für ein Zielland absehbar die Lieferschwelle überschreiten, sind folgende Schritte bislang (bis zum 30.06.2021) notwendig:
- Sie müssen sich als Online-Händler bei der Finanzbehörde des Ziellandes registrieren und eine dortige Umsatzsteuer-ID beantragen.
- Sie müssen Umsatzsteuervoranmeldungen für das laufende und mindestens das Folgejahr einreichen.
- Sie müssen eine Umsatzsteuererklärung im Zielland für das laufende und mindestens das Folgejahr abgeben.
Hierbei sind mehrere Dinge wichtig. Sie dürfen nicht warten, bis Ihre Umsätze die Lieferschwelle überschritten haben, sondern müssen bereits die Registrierung bei der Steuerbehörde des Bestimmungslandes einleiten, wenn eine Überschreitung droht. Die Umsatzsteuervoranmeldung und die Umsatzsteuererklärung sind jeweils für mindestens zwei Jahre einzureichen. Das ist selbst dann der Fall, wenn im Folgejahr die Lieferschwelle nicht überschritten wird. Es unterliegen nur die Umsätze der Umsatzsteuer des Ziellandes, die über die Lieferschwelle hinaus gehen. Haben Sie die Lieferschwellen mehrere EU-Länder überschritten, müssen Sie das genannte Prozedere für jedes einzelne betreffende Land durchführen.
Ab dem 01.07.2021 wird die Registrierung und Durchführung der Umsatzsteuervoranmeldungen deutlich vereinfacht. Mit dem One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) haben Sie als Online-Händler dann die Möglichkeit, sich zentral zu registrieren und die Umsätze für alle Bestimmungsländer zentral einzupflegen. Wird die neue Lieferschwelle überschritten, müssen Sie das tun:
- Sie registrieren sich online beim Bundeszentralamt für Steuern für das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS). Das ist seit April 2021 möglich und sollte vor dem 01. Juli geschehen, wenn Sie OSS für dieses Jahr nutzen müssen.
- Alle Umsätze werden im dortigen Portal durch Sie angezeigt und Sie melden sich für alle Finanzbehörden in den Ländern, in denen Sie Waren verkaufen.
- Umsatzsteuermeldungen finden zentral statt und müssen nicht mehr einzeln getätigt werden.
Die weiteren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen bleiben weitgehend so erhalten wie bisher, insbesondere die mindestens zweijährige Pflicht der Umsatzsteuervoranmeldung. Ergänzend mit OSS müssen Sie als Online-Händler allerdings berücksichtigen, dass Sie sich nun auch dann registrieren müssen, wenn Sie zwar nur innerhalb Deutschlands verkaufen, aber Lager in einem anderen EU-Mitgliedsland oder außerhalb der EU für Ihre Waren beziehungsweise dortige Versanddienstleistungen nutzen.
Unter Umständen kann es notwendig sein, dass Sie trotz OSS eine Registrierung bei den nationalen Steuerbehörden vornehmen müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Sie Vorsteuer in dem betreffenden Land geltend machen können oder wollen. Weiterhin kann das notwendig sein, wenn Sie beispielsweise als deutscher Online-Händler ein polnisches Warenlager nutzen und von dort Waren an einen polnischen Endverbraucher versenden lassen. Der Handel ist rechtlich grenzüberschreitend, die Warenbewegung an sich aber nicht.
Was ist One-Stop-Shop (OSS)
Allgemein wird unter einem One-Stop-Shop (OSS) eine zentrale staatliche Stelle verstanden, bei der bürokratische und administrative Schritte für einen bestimmten Zweck an einem Ort durchgeführt werden können. Im Falle des Versandhandels und der darauf liegenden Umsatzbesteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip ist ein solches OSS beim Bundeszentralamt für Steuern eingerichtet worden, wo zentral an einer Stelle alle grenzüberschreitenden Handelsaktivitäten mit Bezug zur Umsatzbesteuerung verwaltet werden.
Die Registrierung und Abwicklung der Umsatzsteuerbelange passiert somit im Ursprungsland und wird dann zentral mit den jeweiligen Steuerbehörden koordiniert und verrechnet. Damit haben Versandhändler einen deutlich geringeren bürokratischen Aufwand zu bewältigen.
OSS ist eine Erweiterung des MOSS-Verfahrens. Mini-One-Shop-Stop wurde seinerzeit für elektronische Dienstleistungen eingerichtet und ist nun erweitert worden für die überwiegende Zahl an Waren und Dienstleistungen, die innerhalb des europäischen Gemeinschaftsgebiets gehandelt werden.
Was droht mir, wenn ich trotz Überschreiten der Lieferschwelle keine Registrierung durchführe?
Insbesondere unter der neuen Regelung sind ab Juli 2021 vermutlich deutlich mehr Online-Händler von einem Überschreiten der Lieferschwelle betroffen. Ignorieren Sie die Registrierung und Meldung der über der Lieferschwellen liegenden Umsätze, kann das erheblich negative Konsequenzen nach sich ziehen. Sie verletzen damit Ihre Pflichten nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG), was Ihnen schlimmstenfalls als Steuerhinterziehung ausgelegt wird. Insbesondere dann, wenn Sie das Einreichen einer Umsatzsteuererklärung versäumen oder Ihre Steuererklärung aufgrund der Nichtberücksichtigung der Lieferschwelle falsch ist.
Selbst bei Unkenntnis der Regelungen oder einem unabsichtlichen Überschreiten der Lieferschwelle drohen empfindliche Strafen. Gerade mit dem One-Stop-Shop-Verfahren können Sie Ihren bürokratischen Aufwand klein halten und müssen keine Formularflut oder ein unübersichtliches Prozedere befürchten. Im Zweifel lassen Sie sich von einem kompetenten Steuerberater beraten.
Kann ich freiwillig auf die Lieferschwelle verzichten?
Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) ist es möglich, freiwillig auf die Lieferschwelle zu verzichten. In dem Fall müssen Sie alle Umsätze aus innergemeinschaftlichen Geschäften vom ersten Euro an zum jeweiligen Steuersatz im Bestimmungsland versteuern. Das kann sinnvoll sein, wenn Sie im Zielland bereits steuerpflichtig sind und dort ein niedrigerer Umsatzsteuersatz als in Deutschland gilt. Unter der neuen Regelung wird das vermutlich unattraktiver, da der Verzicht nicht mehr auf einzelne EU-Länder bezogen erklärt werden kann.
Lieferschwelle mit Shopware 5 und Shopware 6 stets im Blick behalten
Intelligente Shopware-Plugins, wie “Lieferschwellen-Hinweis” unterstützen Sie dabei, die Lieferschwellen, sowie Ihre jeweiligen Umsätze in den EU-Ländern immer im Blick zu behalten. Mit dem Shopware Plugin ist es möglich, Überblick über die landesspezifischen Umsätze zu behalten. Sie erhalten Hinweise, wenn die Lieferschwelle überschritten wird.
Das Handling der Lieferschwellen können Sie dank dem Plugin auf eine einfache Weise automatisieren. Sie müssen somit nicht befürchten, die Lieferschwelle unbeabsichtigt zu überschreiten. Damit haben Sie ein wichtiges Tool an der Hand, mit dem Sie auch die neuen Regelungen zum innergemeinschaftlichen Warenverkehr sowie die damit einhergehenden umsatzsteuerrechtlichen Veränderungen ohne Sorgen angehen können.
Für die Umstellung der MwSt. an die einzelnen EU-Länder stehen wir Ihnen gerne mit unserer Expertise zur Seite. Die Experten von der Loy Digitalagentur helfen Ihnen, um für Shopware fit für den europäischen Warenverkauf zu machen.
Fazit
Die neuen vereinheitlichen Regelungen bei der Umsatzsteuer für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr bringt eine einheitliche und niedrigere Lieferschwelle sowie ein vereinfachtes und vereinheitlichtes Registrier- und Meldeverfahren für die in anderen EU-Ländern anfallende Umsatzsteuer mit sich. Ist die Lieferschwelle überschritten, tun Sie zukünftig nur einen Schritt: Sie registrieren sich beim Bundeszentralamt für Steuern für den One-Stop-Shop (OSS). Mehr Shopware Shop-Besitzer werden sich zukünftig mit umsatzsteuerrechtlichen Fragen auseinandersetzen müssen. Dank intelligentem Shopware Plugin wie “Lieferschwellen-Hinweis” behalten Sie Ihre Umsätze in jedem Land stets im Blick und können das Handling der Lieferschwelle automatisieren.